„Ich habe auch meine eigene Wohnung, die mir meine Großmutter hinterlassen hat!“, sagte die Schwiegertochter zu ihrer Schwiegermutter, die von ihr verlangte, ihr das Erbe auszuhändigen.

„Ich habe meine eigene Wohnung, die mir meine Großmutter vererbt hat!“, sagte die Schwiegertochter zu ihrer Schwiegermutter, die die Aushändigung des Erbes forderte.

Der Notar räusperte sich, rückte seine Brille zurecht und machte sich bereit, das Dokument zu verlesen. Larissa Petrovna zeigte ihr bekanntes, siegreiches Lächeln, das Marina stets Kopfschmerzen bereitete.

Drei Jahre. Drei lange Jahre, in denen Marina diese Frau ertrug, die es verstand, ihr Familienleben in einen Zweig ihres eigenen Imperiums zu verwandeln. Heute musste alles entschieden werden. Marinas Großmutter hatte ihr die Wohnung im Stadtzentrum hinterlassen – ein geräumiges Dreizimmerhaus mit hohen Decken und Blick auf den Park. Die Papiere waren fertig, es fehlte nur noch die formelle Übergabe des Erbes.

Aber ihre Schwiegermutter war mitgekommen. Natürlich war sie dabei. Sie saß wie eine Königin auf ihrem Thron im Notariat und hielt ihren Sohn Pavel am Arm, der aussah, als sei er mit Gewalt dorthin gezerrt worden. Marina saß ihr gegenüber am Tisch und umklammerte einen Aktenordner. Ihre Finger zitterten leicht, aber nicht vor Angst – sondern vor einer Ahnung des Unheils.

„Nun“, begann der Notar und entfaltete das Testament, „die Bürgerin Somova Elizaveta Andreyevna vermacht ihre Wohnung in der Sadovaya-Straße 14-42 ihrer Enkelin Marina Alexandrovna …“

„Entschuldigen Sie“, unterbrach Larissa Petrovna ihn mit ihrer süßen, honigsüßen Stimme, die Marina jedes Mal einen Schauer über den Rücken jagte. „Aber Marina ist doch schon verheiratet. Sie gehört jetzt zu unserer Familie. Und in einer Familie ist doch alles gemeinsam, nicht wahr?“

Der Notar hob die Augenbrauen, las aber weiter. Marina spürte, wie die vertraute Mischung aus Wut und Verzweiflung in ihr aufstieg. Sie wusste, worauf das hinauslief. Ihre Schwiegermutter sagte nie etwas aus Versehen.

Nachdem sie alle Papiere unterschrieben hatten, gingen sie hinaus auf die Straße. Das Februarlicht blendete sie, als es sich im Schnee spiegelte. Larissa Petrovna nahm Marina sofort am Arm, wie eine fürsorgliche Mutter.

„Meine liebe Marina“, zwitscherte sie, „wie glücklich wir doch sind! Jetzt haben wir eine wunderschöne Wohnung, die wir vermieten können. Kannst du dir vorstellen, wie viel wir verdienen werden? Pascha wollte sich gerade ein neues Auto kaufen.“

Marina blieb so abrupt stehen, dass ihre Schwiegermutter beinahe stolperte.

„Das ist meine Wohnung. Meine Großmutter hat sie mir vererbt.“

„Natürlich, natürlich“, nickte Larissa Petrovna, doch ihr Blick blieb kalt. „Aber du weißt doch, Pascha ist das Familienoberhaupt. Er sollte die Kontrolle über das Familienvermögen haben. Ganz genau.“

Marina sah ihren Mann an. Pavel war in sein Handy vertieft, als hätte er nichts gehört. Typisch – der Vogel Strauß, der beim ersten Konflikt den Kopf in den Sand steckt.

„Pascha“, sagte er leise. „Was meinst du?“

Der Mann blickte auf, und Marina sah die vertraute Panik in seinen Augen. Die Panik, die entsteht, wenn man sich zwischen Mutter und Ehefrau entscheiden muss. Und wie immer war die Wahl vorhersehbar.

„Mama hat recht“, murmelte er. „In einer Familie ist alles gleich.“

Marina spürte einen Stich im Herzen. Nicht wegen seiner Worte – die hatte sie erwartet. Sondern wegen der Selbstverständlichkeit, mit der er sie aussprach. Ohne zu zögern, ohne auch nur einen Moment zu versuchen, sein Erbrecht zu verteidigen. Ein richtiger Schlingel – ein Muttersöhnchen durch und durch.

„Na, wunderbar!“, jubelte Larissa Petrovna. „Morgen suchen wir gute Mieter. Ich kenne da eine Agentur …“

„Nein.“ Das Wort kam leise, aber bestimmt über Marinas Lippen. Die Schwiegermutter brach mitten im Satz ab.

– Was soll das heißen „nein“? – fragte sie mit eiserner Stimme.

– Die Wohnung wird nicht vermietet. Ich werde dort wohnen.

Larisa Petrovna lachte. Doch ihr Lachen klang eher wie zerbrechendes Glas.

„Dort wohnen? Allein? Willst du deinen Mann verlassen?“

„Ich will einfach nur in normalen Verhältnissen leben. Nicht in dem Gemeinschaftsraum deiner Wohnung, wo du morgens um sieben zu uns kommst, um die Vorhänge zu richten.“

Die Schwiegermutter wurde rot im Gesicht. Sie war es nicht gewohnt, so widersprochen zu werden. In drei Jahren hatte Marina es nie gewagt, so offen zu widersprechen.

„Pascha!“, fuhr sie sie an. „Hörst du, was deine Frau sagt?“

Pawel zuckte zusammen, sah Marina aber vorwurfsvoll an.

„Marinka, sprich nicht so mit Mutter. Sie will doch nur unser Bestes.“

„Will sie wirklich unser Bestes?“, fragte Marina, als ob ihr der letzte Funke über die Lippen bräche. „Sie kontrolliert jeden unserer Schritte! Sie überprüft unsere Einkäufe, liest unsere Nachrichten, entscheidet, was es zum Abendessen gibt! Das ist keine Fürsorge, das ist Tyrannei!“

„Wie kannst du es wagen!“, schrie Larissa Petrovna. „Ich habe mein ganzes Leben meinem Sohn gewidmet! Ich habe ihn allein großgezogen, ohne Ehemann! Und ich werde nicht zulassen, dass so ein Neuling…“

„Neuling?“, fragte Marina und trat näher, woraufhin die Schwiegermutter instinktiv zurückwich. „Ich habe seine Demütigungen drei Jahre lang ertragen. Drei Jahre lang habe ich mir anhören müssen, was für eine schlechte Hausfrau ich bin, was für eine miserable Ehefrau, und wie wundervoll Pascha seine Ex-Freundin war.

Drei Jahre lang hat er versucht, mich zu seiner Dienerin zu machen. Genug!“

Sie wandte sich ihrem Mann zu. Pavel stand blass und verwirrt da und wusste nicht, auf wessen Seite er stehen sollte. Seine Mutter zog an einem Arm, seine Frau sah ihn vom anderen an. Und er wählte wie immer den Weg des geringsten Widerstands.

„Marina, entschuldige dich bei Mutter. Du irrst dich.“

Diese fünf Worte waren der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Marina nickte – nicht ihm zu, sondern sich selbst. Die Entscheidung war gefallen.

„Okay. Es tut mir leid“, sagte sie ruhig. Zu ruhig. „Es tut mir leid, dass ich drei Jahre meines Lebens verschwendet habe, um mit einem Mann eine Familie zu gründen, der niemals ein Mann werden würde.“

Marina drehte sich um und ging. Hinter ihr schrie ihre Schwiegermutter empört auf, und Pavel rief etwas, aber Marina sah nicht zurück. Sie kam an der U-Bahn-Station an, und in ihrem Kopf formte sich bereits ein überraschend klarer Plan.

An diesem Abend kehrte sie mit einem Koffer in der Hand zu ihrer – nein, nicht „ihrer“, sondern ihrer Schwiegermutter – zurück. Pavel saß in der Küche, umgeben von dem sorgfältig angerichteten Essen, das seine Mutter zubereitet hatte. Larisa Petrovna saß ihr gegenüber und streichelte sanft die Hand ihres Sohnes.

– …dann wird er zur Vernunft kommen, mein Sohn. Wohin sollte er ohne dich gehen? Er wäre ohne dich verloren. Wortlos ging Marina an ihnen vorbei ins Schlafzimmer. Sie begann langsam und bedächtig ihre Sachen in den Koffer zu packen, als die honigsüße Stimme ihrer Schwiegermutter hinter ihr ertönte:

— Marinka, hör auf, so albern zu sein. Komm zum Essen. Ich habe deinen gefüllten Kohl gemacht, dein Lieblingsessen.

— Mein Lieblings-Kohl war der, den meine Großmutter gemacht hat. Ich habe deinen nur aus Höflichkeit gegessen.

Sie knallte den Koffer zu und wandte sich ihnen zu. Pavel sah sie an wie ein kleiner Junge, dem man sein Spielzeug weggenommen hat.

— Gehst du wirklich?

— Ja.

— Aber… aber wohin gehst du denn?, fragte Larissa Petrovna mit kaum verhohlener Schadenfreude in der Stimme. — Du hast ja nicht mal Geld für die Miete.

— Ich habe meine eigene Wohnung. Erinnerst du dich? Die, die du heute Morgen vermieten wolltest. Die Schwiegermutter presste die Lippen zusammen…

— Sie muss renoviert werden! Es gibt keine Möbel!

— Eine Matratze auf dem Boden ist besser als ein goldener Käfig unter deiner Aufsicht.

Marina nahm ihren Koffer und ging zur Tür. Sie wollte gerade gehen, als Pavel sie einholte.

— Marina, warte. Lass uns reden. Nur wir zwei. Ohne Mama.

Die Frau sah ihn an, und ein Anflug von Mitleid durchfuhr sie. Er war kein schlechter Mensch. Nur … nichts. Eine Leere zwischen zwei Frauen, ein Preis, um den zwei Menschen gekämpft hatten.

— Worüber sollen wir reden, Pascha? Darüber, dass du mir in den letzten drei Jahren kein einziges Mal beigestanden hast? Oder darüber, dass deine Mutter unsere Bankkonten kontrolliert? Oder besser gesagt, darüber, dass sie uns verboten hat, Kinder zu bekommen, bis wir eine Million gespart haben?

— Sie macht sich nur Sorgen …

— Nein. Er will dich einfach mit niemandem teilen. Und du hilfst ihm dabei.

In diesem Moment tauchte Larissa Petrovna hinter Pavel auf. Ihr Gesicht war vor Wut verzerrt.

— Versteck dich! — zischte sie. — Und versuch gar nicht erst, zurückzukommen! Wir kommen auch ohne dich gut zurecht!

Marina lächelte.

— Ich weiß. Ihr zwei habt euch immer gut verstanden. Ich war nur das Dritte, überflüssig.

Sie ging auf die Treppe hinaus und hörte die Tür hinter sich zuschlagen. Dann verstummten die Gesprächsfetzen – die Schwiegermutter erklärte ihrem Sohn wieder etwas, der wie immer nickte.

In Großmutters Wohnung herrschte Stille und der Geruch alter Dinge. Marina ging durch die Zimmer, öffnete die Fenster und ließ frische Luft herein. Ja, die Wohnung war wirklich renovierungsbedürftig. Die Tapete wellte sich hier und da, das Parkett knarrte, der Wasserhahn in der Küche tropfte. Aber es war ihre Wohnung. Ihr Raum. Ihre Freiheit.

Sie holte ihr Handy heraus – zwanzig verpasste Anrufe von Pavel. Keine einzige Nachricht. Sie wagte es nicht einmal, ohne die Erlaubnis ihrer Mutter zu schreiben.

Die erste Nacht auf dem Boden, auf der alten Matratze, verlief erstaunlich ruhig. Niemand kam am Morgen, um sie zu tadeln. Niemand sprach über ihre Fehler auf der anderen Seite der Wand. Niemand erklärte ihr, wie man richtig Tee kocht.

Am nächsten Tag kündigte sie ihre Arbeit und begann, die Wohnung zu renovieren. Sie rief einen Klempner, um den Wasserhahn reparieren zu lassen, und beauftragte ein Team mit kleineren Renovierungsarbeiten. Sie hatte Geld – sie hatte heimlich vor ihrer Schwiegermutter gespart und einen Teil ihres Gehalts zurückgelegt. Sie hatte für eine Flucht vorgesorgt, ohne dass ihre Schwiegermutter es wusste.

Am Abend tauchte Pavel auf. Allein, was überraschend war. Er stand mit reumütigem Gesicht und einem Strauß Chrysanthemen in der Türschwelle – sie mochte sie nicht, aber es waren die einzigen Blumen, die ihre Mutter „gutheißte“.

„Darf ich hereinkommen?“

Marina trat beiseite und ließ ihn herein. Pavel sah sich verlegen um.

„Alles ist so … leer hier.“

„Aber wenigstens gehört es mir.“

Sie setzten sich in die Küche, wo nur zwei wackelige Stühle und ein klappriger Tisch standen. Pavel wählte seine Nummer, als würde er auf einen Anruf warten.

„Mama meinte, sie wäre bereit, dir zu verzeihen“, sagte er schließlich. „Wenn du dich entschuldigst und zugibst, dass die Wohnung gemeinsames Familieneigentum ist.“

Marina lachte. Aufrichtig, von Herzen.

„Deine Mutter ist sehr großzügig. Sie ist bereit, mir zu verzeihen, dass ich ihr mein Erbe nicht gegeben habe.“

„Marina, sei nicht kindisch! In einer Familie gehört alles zusammen!“

„In einer normalen Familie – ja.“ Aber das hier ist keine Familie, Pascha. Das ist ein Zweig des Imperiums deiner Mutter. Wo sie alles entscheidet – von der Farbe unserer Socken bis zu unserer Schlafenszeit.

— Sie kümmert sich einfach um uns…

— Nein, sie hat uns unter ihrer Kontrolle! Siehst du denn keinen Unterschied?

Da klingelte Pavels Telefon. Natürlich rief seine Mutter an. Pavel nahm reflexartig ab – wie Pawlows Hund, der auf die Türklingel reagiert.

— Ja, Mama. Ich bin bei ihr. Nein, sie wird nicht zustimmen. Ja, ich habe es ihr gesagt … Okay, ich komme sofort.

Er stand auf, ohne Marina auch nur anzusehen.

— Mama wartet mit dem Abendessen.

— Natürlich. Sie wartet immer – mit Abendessen, Frühstück und Ratschlägen, wie man lebt. Nur zu, Pascha. Du hast die Leine fest an der Leine.

Der Mann war beleidigt, sagte aber nichts. Er ging einfach und ließ die Chrysanthemen auf dem Tisch zurück. Marina warf sie in den Müll.

Eine Woche verging. Die Renovierung war bereits in vollem Gange. Marina kaufte Möbel, suchte Vorhänge aus und schuf sich nach und nach ein richtiges Zuhause. Alle im Büro bemerkten die Veränderung – sie lächelte, scherzte und wirkte um einige Jahre gealtert.

Dann erschien Larissa Petrovna. Wie immer ohne Vorwarnung.

Marina öffnete die Tür, und da stand ihre Schwiegermutter – im besten Mantel, mit einer Mappe in der Hand.

„Wir müssen reden“, verkündete sie und betrat die Wohnung, ohne eingeladen zu sein.

Sie sah sich um und schnalzte mit der Zunge.

„Geschmacklos. Ich hätte eine andere Tapete ausgesucht.“

„Gut, dass du sie nicht selbst ausgesucht hast.“

Larissa Petrovna ließ sich auf dem neuen Sofa nieder, als wäre sie zu Hause.

„Marina, sei nicht so stur. Pascha leidet. Er hat abgenommen, er isst kaum noch.“

„Vielleicht sollte er mal kochen lernen.“

„Sei nicht so frech!“, fuhr die Schwiegermutter sie an, beruhigte sich dann aber schnell wieder. „Ich bin mit einem Geschäftsvorschlag gekommen.“ Hier sind die Scheidungspapiere. Wenn Sie sie unterschreiben, erledigen wir alles diskret und schnell. Im Gegenzug verzichte ich auf einen Anteil am Vermögen.

Marina lachte.

— Welches Vermögen? Die Wohnung wurde mir vor der Heirat vermacht. Sie gehört mir.

— Aber Pascha hat doch gearbeitet!

— Was für Arbeit? Er war erst gestern hier!

Larissa Petrovna verzog die Lippen.

— Geistige Arbeit. Sorgen. Das zählt auch.

— Meinen Sie das ernst?

— Absolut. Laut einem Anwalt, den ich kenne, haben wir gute Chancen auf die Hälfte.

Marina ging zum Fenster. Kinder spielten im Hof, Mütter unterhielten sich auf den Bänken. Ganz normale Familien. Ganz normale Beziehungen.

— Wissen Sie was, Larissa Petrovna? ​​Klagen Sie doch einfach. Geben Sie Ihr Geld für Anwälte aus. Beweisen Sie einfach Paschas moralischen Beitrag. Ich werde bis dahin hier wohnen und jeden Tag meines Lebens genießen – ohne Sie.

Die Schwiegermutter sprang auf, ihr Gesicht rot vor Wut.

— Das wirst du bereuen! Du wirst auf allen Vieren zurückkriechen! Ohne uns bist du nichts!

— Ohne euch bin ich ein freier Mann. Und das, weißt du, ist viel wert.

Marina öffnete die Tür und machte deutlich, dass die Audienz beendet war. Larissa Petrovna stürmte aus der Wohnung und klopfte laut mit ihren Stöckelschuhen.

— Pascha wird dir das nie verzeihen!

— Pascha wird tun, was seine Mutter ihm sagt. Wie immer.

Die Tür knallte zu.

Ein Monat verging. Marina lebte sich endlich in ihrer eigenen Wohnung ein. Die Arbeit lief gut, sie fand neue Freunde – Menschen, mit denen ihre Schwiegermutter ihr zuvor den Kontakt verboten hatte. Ihr Leben erstrahlte in neuem Glanz.

Pavel tauchte noch zweimal auf. Zuerst, um sie inständig zu bitten, zurückzukommen. Dann, mit Drohungen des Anwalts seiner Mutter. Beide Male ging er unverrichteter Dinge.

Dann trafen sie sich zufällig – in einem Einkaufszentrum, in der Haushaltsgeräteabteilung. Pavel betrachtete einen Wasserkocher, während Larisa Petrovna der Verkäuferin neben ihm genau erklärte, welches Modell ihr Sohn brauchte.

– Der sollte eine automatische Abschaltfunktion haben! Er ist so zerstreut, er vergisst bestimmt, ihn auszuschalten!

Pavel stand da mit seinem üblichen unterwürfigen, verlegenen Gesichtsausdruck, und die Verkäuferin – eine junge Frau um die zwanzig – konnte sich ein Lächeln kaum verkneifen.

Marina war fast an ihnen vorbeigegangen, als ihre Schwiegermutter sie bemerkte.

– Oh, schau mal, Pascha! Deine Ex-Frau! Sie ist allein, wie erwartet!

Marina blieb stehen, drehte sich um und lächelte.

– Nicht allein. Frei. Das ist nicht dasselbe.

– Frei wovon? Von der Familie? Von der Liebe?

— Schon als ich meine Schwiegermutter um Erlaubnis fragen musste, um einen Wasserkocher zu kaufen.

Die Verkäuferin lachte und unterdrückte ein Kichern. Pavel errötete. Und Larissa Petrowna richtete sich kerzengerade auf.

— Pascha braucht keine Erlaubnis! Ich helfe ihm nur bei der Auswahl!

— Natürlich. Genau wie ich ihm bei der Wahl seiner Frau geholfen habe. Und seines Jobs. Und seiner Freunde. Und überhaupt – seines ganzen Lebens.

Sie sah Pavel an. Der Mann wirkte noch müder und blasser als vor einem Monat.

— Weißt du, Pascha, ich dachte immer, du hättest mich verraten. Aber jetzt verstehe ich – du hast dich selbst verraten. Du hättest ein Mann sein können, ein Ehemann, ein Vater. Aber du bist Mamas kleiner Junge geblieben. Das war deine Entscheidung.

Sie drehte sich um und ging, ohne sich umzudrehen. Hinter ihr sprach ihre Schwiegermutter mit entrüsteter Stimme:

— Seht nur, wie undankbar er ist! Gut, dass wir ihn losgeworden sind!

— Ja, Mutter — antwortete Pavel wie immer.

Und Marina ging lächelnd weiter durch das Einkaufszentrum. Denn sie wusste: Ihre eigene Wohnung wartete zu Hause auf sie. Ihr eigenes Leben. Ihre eigene Freiheit.

Ohne ihre Schwiegermutter.

Und es war ein wunderbares Gefühl.

Sechs Monate später erhielt sie die Scheidungspapiere. Pavel hatte die Wohnung schließlich nicht eingeklagt – entweder hatte ihn sein Gewissen geplagt oder der Anwalt hatte ihm erklärt, wie aussichtslos der Fall war.

Und ein Jahr später lernte sie Andrei kennen. Einen echten, unabhängigen Mann, der sich den Wasserkocher selbst aussuchte und seine Mutter nicht zehnmal am Tag anrief. Er hatte zwar auch eine Mutter, aber die lebte in einer anderen Stadt und schickte einmal im Jahr Marmelade – ohne sich in das Leben ihres Sohnes einzumischen.

Als Andrei ihr einen Heiratsantrag machte, stellte Marina zunächst nur eine Frage:

– Deine Mutter und ich werden nicht zusammenleben, oder?

Er lachte.

– Ach komm! Sie liebt ihre Unabhängigkeit über alles. Sie sagt, sie habe mich nicht erzogen, damit ich mich wieder um mich selbst kümmern muss.

Marina seufzte. Sie hatte das Gefühl, das Leben habe ihr eine zweite Chance gegeben. Die Chance auf eine richtige Familie. Ohne eine tyrannische Schwiegermutter und einen tollpatschigen Ehemann.

Die Hochzeit war schlicht. Andreis Mutter kam für ein paar Tage, brachte ein Porzellanservice mit und sagte zum Abschied nur dies:

– Lebt euer eigenes Leben, Kinder. Ich werde meins auch leben.

Die perfekte Schwiegermutter, dachte Marina.

Und irgendwo am anderen Ende der Stadt kochte Larissa Petrovna für ihren Sohn, während die Nachbarin ihr von einem neuen, hübschen Mädchen erzählte – jemandem, der, anders als „manche“, wirklich Wert auf Familienwerte legte.

Pavel nickte und kaute an seinem Fleischklops. Er war 42 Jahre alt und lebte noch bei seiner Mutter.

Und beide waren damit zufrieden.

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